Achtsamkeit

Gepostet von am März 1, 2015 in Blog | Keine Kommentare

Den Buddha sollte man nicht in den Zeugenstand rufen, um das derzeit in der therapeutischen Szene verbreiteten Konzept von Achtsamkeit zu untermauern. Es stellt das achtsame Sein als Ideal dar, dem man sich mittels des Richtens von Aufmerksamkeit annähert, um es danach sogleich wieder zu verlieren. Das ist so intelligent, wie das Unterfangen des Sich-Entspannens, des Sich-Öffnens oder des Sich-Stärkens. Dem Laien wird kaum auffallen, was dagegen sprechen könnte, mit dieser konventionellen Sichtweise aber sollte man sich nicht auf den Buddhismus berufen. Der Buddhis-mus zeigt nicht den Weg einer Annäherung, sondern den des Nicht-Hinausgehens aus einem grundlegend achtsamen Sein auf, weniger auf ein Tun als vielmehr auf ein Nicht-Tun. Wollte man sein diesbezügliches Handeln als ein Tun verstehen, dann wäre man bei dem Paradox des Tuns des Nicht-Tuns.

Achtsames Sein als Phänomen ist leicht aufgezeigt, nicht aber, wie man aufhört, dieses zu behindern. Nicht durch Annäherung, sondern durch ein Studium der Aufmerksamkeit. Das Phänomen der Aufmerksamkeit verhält sich wie ein Dirigent eines das Ganze erfassenden Bewusstseins. Ver-heddert dieser Dirigent sich auf Kosten von Wahrnehmen, Intuition, Spüren oder Erfassen in abstrakte und imaginäre Geistesinhalte, reduzieren diese sich auf das, was ich als unverlierbare Reste unserer natürlichen Anlagen bezeichne.

Das Dilemma ist offensichtlich. Da niemand das sprachliche Denken oder das Potenzial des Imaginä-ren aufgeben will oder kann, ist der Weg der Achtsamkeit in Wahrheit ein Weg der Aufmerksamkeit.  Wird die Rolle des Dirigenten in seiner Zuständigkeit für das Ganze nicht verstanden und gemeistert, entfremdet uns das sprachliche Denken vom Ganzen. Herbeigeführte Momente der Achtsamkeit bleiben dann wie kurze Kuraufenthalte inmitten der Achtlosigkeit gegenüber uns selbst und dem Augenblick.

Ich und alles Sein sind eins, und das von Anfang an, soll – so ist es überliefert – der Buddha erstaunt  ausgerufen haben, als sein Bewusstsein daran scheiterte, sich eine versprachlichte Welt der identischen Fälle (Friedrich Nietzsche) zurecht zu machen. In zweieinhalbtausend Jahren hat sich im Kontext der buddhistischen Tradition eine Übungspraxis entwickelt und erhalten, die im Zen weitgehend ohne gesellschaftsspezifische fernöstliche Verpackung auskommt. Das verlangt eine Ein-heit von Didaktik, Übungspraxis und Verständnis. Unverlierbar ist dieser Augenblick Medizin. Der ganze Mensch, dieser Augenblick will auftauchen im Bewussten Sein. Es ist unverlierbar dessen Bestimmung, diesen sich wandelnden Augenblick in sich aufzunehmen. Facetten verfehlen das Ganze.

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